Am 27. September 2016 fand vor der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts
Magdeburg die mündliche Verhandlung zur Zensusklage der Stadt Burg sowie der
Landeshauptstadt Magdeburg, der Stadt Blankenburg und der Stadt Osterburg
statt. Geklagt hatten die Städte gegen die Bescheide des Statistischen
Landesamtes, mit welchen auf Grund des durchgeführten Zensus zum Stichtag
09.05.2011 jeweils eine neue amtliche Einwohnerzahl festgesetzt wurde. Im Falle
der Stadt Burg waren dies 23.153 Einwohner und somit gegenüber dem
festgestellten Melderegisterbestand von 24.072 Einwohnern 919 Einwohner
weniger. Aus der Differenz von knapp über 900 Einwohnern weniger ergeben sich
jährlich etwa 300.000 EURO geringere Finanzzuweisungen an die Stadt Burg, da
beim kommunalen Finanzausgleich die Verteilung der Finanzmittel an die
Gemeinden jährlich an Hand der amtlichen Einwohnerzahl erfolgt.
Die Stadt Burg hat mit der am 15.08.2013 erhobenen Klage ihre Rechte auf
gerichtliche Überprüfung der durch das beklagte Landesamt mit Bescheid vom
20.07.2013 amtlich festgestellten Einwohnerzahl zum Stichtag 09.05.2011 geltend
gemacht. Hierbei wurde insbesondere gerügt, dass das Statistische Landesamt
Sachsen-Anhalt bereits im Jahre 2012 alle im Zusammenhang mit dem Zensusverfahren
stehenden Erfassungsnachweise vernichtet hatte und zwar unter Berufung auf eine
Regelung im Zensusgesetz 2011. Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem - noch
aktuell laufenden - Verfassungsbeschwerdeverfahren des Landes Berlin zum
Zensusgesetz 2011 mit seinem Beschluss vom 26.08.2015 genau diese Regelung
befristet außer Vollzug gesetzt, um so zu verhindern, dass sowohl dem Land
Berlin als auch allen anderen klagenden Gemeinden durch Vernichtung bzw.
Löschung zensusrelevanter Unterlagen bzw. Daten die Überprüfung der
Rechtmäßigkeit der festgestellten Einwohnerzahl erheblich erschwert, wenn nicht
gar unmöglich würde. Leider kam diese Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes für das Verfahren der Stadt Burg drei Jahre zu spät.
Im Falle der Stadt Burg, wie auch all der anderen klagenden Gemeinden in
Sachsen-Anhalt, ist also festzustellen, dass ohne Not und unter
Außerbetrachtlassung rechtsstaatlicher Grundsätze entscheidungsrelevante
Unterlagen vernichtet wurden. Dies gar weit bevor der streitrelevante Bescheid
überhaupt erlassen wurde.
Die vernichteten Unterlagen und die gelöschten Daten sind zur
Überprüfung der Methodik und der Qualität der Durchführung der Zensuserhebung
unumgänglich, wie auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26.08.2015
(2 BvF 1/15) feststellte:
„Die Fachgerichte, die den
zuständigen Behörden in einzelnen, von Gemeinden angestrengten Verfahren im
Wege der einstweiligen Anordnung die Löschung der jeweils betroffenen Daten
vorläufig untersagt haben, gehen ersichtlich davon aus, dass der Rechtsschutz
für die jeweils klagenden Gemeinden durch die Löschung im Ergebnis vereitelt
würde … Namentlich könnten die Methodik und die Qualität der Durchführung der
die jeweils klagenden Gemeinden betreffenden Zensuserhebung nicht mehr anhand
der umstrittenen Daten und Unterlagen - gegebenenfalls unter Hinzuziehung von
Sachverständigen - einer rechtlichen Würdigung unterzogen werden …“
Diese Überprüfung und damit eine rechtliche Würdigung durch das
Verwaltungsgericht sind im Falle der Stadt Burg unmöglich geworden. Im Ergebnis
muss demnach im vorliegenden Falle von einer Vereitelung der gerichtlichen
Nachprüfung der Zensuserhebung ausgegangen werden. Nach Auffassung der Stadt
Burg musste diese Vereitelung der Überprüfungsmöglichkeit des Verwaltungsaktes
zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit führen. Dem ist das Verwaltungsgericht
Magdeburg in seinem Urteil nicht gefolgt. Es stellt sich damit gegen die o.a.
Würdigung des Bundesverfassungsgerichts, was nicht nur nicht nachvollziehbar
ist, sondern die Entscheidung des höchsten Gerichts in der Bundesrepublik damit
schlichtweg ignoriert.
Weiterhin hatte die Stadt Burg mit ihrer Klage vorgetragen, dass auch
die im Zensusgesetz festgelegte Methodik verfassungswidrig ist, da durch verschiedene
Erhebungs- und Prüfverfahren die Gemeinden unter 10.000 Einwohnern anders
behandelt wurden, als Gemeinden über 10.000 Einwohnern, was im Ergebnis zu
signifikant unterschiedlichen Ergebnissen führte. Hierbei waren die Gemeinden
unter 10.000 Einwohnern auffallend weniger von geringeren Einwohnerzahlen durch
den Zensus 2011 betroffen, als Gemeinden über 10.000 Einwohnern. Dies ist nach
Auffassung namhafter Statistiker ein systematischer Fehler der die
Zensusergebnisse insgesamt unbrauchbar macht. Genau dieser Frage widmet sich
derzeit das Bundesverfassungsgericht.
Die Stadt Burg hatte daher neben der Landeshauptstadt Magdeburg und der
Stadt Osterburg die Aussetzung des Verfahrens beantragt, bis das
Bundesverfassungsgericht in dem Verfahren des Landes Berlin zu einer
Entscheidung gekommen wäre. Diese Aussetzung lehnte das Verwaltungsgericht
Magdeburg in seiner Sitzung am 27.09.2016 ab und zwar unmittelbar bevor es am
Ende des Sitzungstages die Klage der Stadt Burg abwies.
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat für das Verfahren die Berufung zum
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zugelassen. Nach dem Lesen der
Urteilsgründe des am 10.11.2016 zugestellten Urteils (siehe Anlage) ist
einzuschätzen, dass die sachlich
vorgetragenen Argumente der Stadt Burg vom Verwaltungsgericht bei der
Urteilsfindung nicht hinreichend berücksichtigt wurden. Befremdlich ist
insbesondere, dass das Verwaltungsgericht bereits Aussagen zur
Verfassungskonformität des Zensusgesetzes getroffen hat, obwohl das diesbezügliche
Verfahren beim Bundesverfassungsgericht noch gar nicht abgeschlossen ist. Schon
aus diesem Grunde ist es notwendig Berufung einzulegen. Es wäre für die Stadt
Burg sehr nachteilig, wenn der angefochtene Bescheid durch Nichteinlegung der
Berufung unanfechtbar wird, und das Bundesverfassungsgericht im Nachhinein die
Verfassungswidrigkeit des Zensusgesetzes feststellt, was umgehend zur Aufhebung
des Bescheides führen müsste.
Anlage:
Urteil des
Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 27.09.2016
Der Stadtrat der Stadt Burg beauftragt den Bürgermeister gegen das klagabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 27.09.2016 bei dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt fristwahrend Berufung einzulegen.
Finanzielle Auswirkungen ?
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nein |
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Gesamtkosten
der Maßnahmen (Beschaffungs- Herstellkosten) |
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jährliche Folgekosten/-lasten |
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1.050
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Land: EUR |
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EUR |
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Sonstige: EUR |
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Veranschlagung
im Teilhaushalt
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Produktsachkonto |
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Folgejahr: |
EUR |
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Verfahrensweise gegenüber der Kommunalaufsicht
Genehmigung |
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X nicht erforderlich |